Arroganz? Gesundes Selbstbewusstsein? Oder doch nur Ignoranz? Es fällt schwer, beim ersten Lesen des etwas dünn geratenen Buches „Cool ohne Alk“ von Johannes Regnitz die richtige Bezeichnung zu finden, die sich für den gewöhnungsbedürftigen Stil des Autors aufdrängt.
Denn dieses Buch ist anders. Es stellt sich ganz bewusst und mit einer atemberaubenden Chuzpe fast allem entgegen, was zum Thema Alkoholabhängigkeit zu hören oder zu lesen ist.
Der Autor, selbst Alkoholiker mit Rückfallerfahrung, ist von Haus aus Ingenieur. Er seziert in „Cool ohne Alk“ daher die Sucht und den Weg aus der Sucht nicht wie ein Mediziner oder Psychologe. Vielmehr betrachtet er die Krankheit von einem mechanischen Gesichtspunkt aus.
Alkoholiker gibt es nicht. Schon zu Beginn des Buches trifft der Autor diese auf den ersten Blick erstaunliche Feststellung.
Die Erklärung folgt dann im Verlauf der Beschreibung der Suchtgeschichte des Autors, die weniger brüskierend als der Einstieg in das Buch ausfällt und die nichts anderes als den ganz normalen Wahnsinn unserer Trinkergesellschaft beschreibt.
Mit wenigen Hilfen, die aber gezielt ausgesucht wurden, gelingt es dem Techniker dem Gift Ethanol den Stellenwert zu geben, den es nach seiner Auffassung verdient. An den üblichen „Behandlungsmethoden“ Alkoholabhängiger und insbesondere an der teuren, aber wirkungslosen Langzeittherapie lässt er kein gutes Haar.
Auch sonst gelingt es Regnitz in seinem erfrischenden Rundumschlag alles zu treffen, was dem gemeinen Suchtkrankenhelfer heilig ist. So erteilt er etwa dem beliebten Outen eine harsche, aber gut begründete Absage. Er geht noch einen Schritt weiter und dreht den Spieß um. Nicht der Alkoholgeschädigte ist krank und braucht Hilfe, sondern die kranke Gesellschaft, in der er leben muss. Lediglich den Selbsthilfegruppen, die auch nach der Beobachtung des Autors als wirksames Mittel zur Bekämpfung der Sucht taugen, zeugt Regnitz ein wenig Respekt.
Wem es gelungen ist, den ersten sehr mechanistischen Teil des Buches unbeschadet an Leib und Seele zu überstehen, den belohnt Regnitz im zweiten Teil mit dem in anderen Fachbüchern immer dominierenden psychischen Aspekten des Trinkverhaltens. Auch hier zeigt er eine eigene klare Sicht, die auch die Leser anspricht, die von den genusstrinkenden Sozialpädagogen der Therapieeinrichtungen ins Säufereck gestellt wurden.
Ein hervorragendes und außergewöhnliches Buch, das insbesondere dem „nüchternen“ Trinker wertvolle Hilfen bietet. Aber auch ein ungebremster Schlag ins Gesicht der Gutmenschen aus der Suchtberatung.
Einzelne Passagen des Buches sind extrem provokativ und arrogant, allerdings niemals ignorant. Der erfolgreiche Weg des selbstbewussten Autors macht Mut und spornt an. Ein Buch, das jeder, der mit Alkohol zu tun hat, lesen muss. Ein nicht ganz günstiges, aber ausgesprochen wertvolles Buch. Eines der besten autobiografischen Ratgeber auf dem Markt.
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