Erfahrungen von Angehörigen

Datum:
Von:
Daniela
Alter:
24Jahre
Erfahrungsbericht

Hallo, ich heiße auch Daniela und bin 24 Jahre alt. Solange ich lebe und die Welt bewusst miterlebe, sehe ich meinen Vater an der Flasche hängen. Heute (30.12.2002) habe ich mich von ihm losgesagt. Ich kann nicht mehr, bin ausgelaugt. Und das Schlimme ist, ich kann ihn noch nicht mal dafür hassen, denn das würde mir helfen, mich abzunabeln.

Er war auch lieb zu mir, hat mir vieles beigebracht und die tollsten Abenteuer bestanden, aber das ist laaange her. Seitdem ich vor 8 Jahren nach Hamburg zog, um meine Lehre zu machen, wurde es noch viel schlimmer. Auf jedem Foto, das ich von ihm habe, sehe ich ihn betrunken. Sogar auf dem Hochzeitsbild meiner Eltern. Meine Mutter war mit mir im 7. Monat schwanger, also soff er sogar schon vor meiner Geburt. Am Tage meiner kirchlichen Hochzeit kam er angetrunken an und brachte mich torkelnd zum Altar.

Ich hätte heulen können. Er zeugte meinen jüngeren Bruder im Suff und dieser bekam einen Schaden weg und ist Zeit seines Lebens geistig behindert. Ich bewundere meine Mutter, die immer noch zu ihm hält, obwohl sie ausgepowert ist, aber sie kann und traut sich nicht, sich ein Leben ohne ihn vorzustellen. Ich denke sie hat Angst, dass sie es nicht packt.

Mein Vater ist 46 Jahre alt und sieht aus wie 60. Vor einigen Tagen war er so was von betrunken, dass er epileptische Anfälle bekam, sich auf die Zunge biss und fast daran erstickt wäre. Mein Bruder sah es und holte sofort Hilfe. Ich fuhr fast 3 Stunden mit dem Auto (Hamburg-Wismar) um ihn im Krankenhaus zu besuchen. Ich zitterte und hatte mir eine Rede zurechtgelegt.

Ich wollte ihn am liebsten schlagen und ihm die Pest an den Hals wünschen, für die scheiß- verdammten Jahre, die er mir geklaut hatte. Jahre, wo ich mich für ihn schämte, weil er immer voll war, sich anpisste und ich ihn nach Hause schleppen durfte. Ich schüttete seinen „besten Freund“ in den Ausguss und bekam dafür Ohrfeigen. Er schlug mich 1x, weil ich seinen Stoff vernichtete; Alkohol war und ist ihm wichtiger als seine Familie.

Aber ich sah ihn da sitzen, ganz ruhig und entspannt, mit sich selbst zufrieden aber auch Angst mich zu sehen, weil er wusste, was ich dachte, und dass er in meinen Augen wieder versagt hatte. Ich überredete meinen Mann mich zu begleiten. Er zögerte, weil er nicht wirklich was mit meinem Vater zu tun haben wollte. Mein Mann mag mich nicht leiden sehen, wenn ich wegen meinem Vater weine, weil ich mir Sorgen mache, dass er daran stirbt. Ich meinte, mein Vater wird seit fast 25 Jahren komplett mehrere Tage hintereinander nüchtern sein, diesen Anblick sollte er sich nicht entgehen lassen … Mein Sarkasmus hilft mir in so vielen Sachen weiter.

Traurig, nicht wahr? Der Arzt meinte, dass die Leber meines Vaters aus dem letzten Loch pfeift, sein Bauch war so was von dick, wie ein Wasserbauch bei den Kindern in Somalia! Ich schrie nicht und machte ihm keine Vorwürfe, das übernahm meine Mutter schon für mich. Nur bei meinem Vater geht es da rein und da raus. Ich nahm ihn einfach in den Arm und sagte, dass ich ihm helfen will, er solle sich aber auch helfen lassen und endlich aufwachen! Er kann sich nicht zu Tode saufen und mir seine Frau auflasten.

ER hatte meine Mutter geheiratet, nicht ich. Er soll für sich endlich Verantwortung übernehmen, eingestehen dass er ein Problem hat. Er klang recht zuversichtlich, aber ich habe gelernt zwischen den Tönen in der Stimme zu unterscheiden, und ich wusste, dass er es sagte, um seine Ruhe zu haben und um mich einzulullen. Ich hatte es im Gefühl, dass es nicht lange dauert mit seinem Rückfall. Weihnachten stand vor der Tür, unendlich lange Tage, ohne was zu machen. Tödliche Langeweile und dann noch Silvester.

„Silvester ist doch nur 1x im Jahr und da kann man sich was gönnen“. Das Pensum mittlerweile war 2 1/2 Flaschen Goldbrandt mit 38 % Vol. Heute rief ich an, wollte mal fragen, wie es ihm geht. Er lag auf dem Sofa lallte dummes Zeug, meine Mutter redete mit mir. Ich stellte die Frage, vor der ich so eine Angst hatte: „Und, trinkt er wieder?“ Schweigen. „Was denkst du denn …?“, meinte meine Mutter und klang genauso verloren.

Jetzt wo mein Vater wegen dem Alk auch noch seine Arbeit verlor, geht es noch schlimmer als zuvor los. Ich sagte, sie sollte das Telefon auf Laut stellen. Ich bekam dann vor lauter Wut und Verzweiflung Punkte vor den Augen und ich schrie ihn an, ich beschimpfte ihn aufs Übelste. Ich hatte immer Respekt vor meinen Eltern, habe sie nie übel beschimpft oder beleidigt. Aber mir platzte echt der Kragen.

Aufgestautes von fast 25 Jahren brach aus mir heraus. Ich meinte nur, er solle uns endlich freigeben und ein Ende damit machen. Er sei für mich gestorben und ich will erst mal nichts von ihm wissen. Er antwortet genauso zurück. Da er nicht mehr richtig reden konnte, weil er alles an grauen Zellen weggesoffen hatte, macht ich mich lustig über ihn und äffte ihn nach. Ich sagte, dass ich Geld schicke, um zu helfen und nicht, dass er mit seinem versoffenen Arsch faul auf dem Sofa rumliegen kann und nichts machen außer zu pennen und zu trinken.

Ich war so verzweifelt. Mir taten die Worte selber weh und ich weinte hinterher aus tiefstem Herzen. Ich will ihn nicht wegen Alokohl verlieren, er soll sterben wenn er alt und grau ist und seine Enkelkinder an seinem Bart ziehen und sagen: „Opa, erzähl nochmal die Geschichte von dem großen Fisch im Wasser …“ Nächste Woche hat er einen Termin beim Arzt wegen einer Kur. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich kann Gesprochenes nicht zurücknehmen, aber ich will auch endlich mein Leben führen, mit meinem Mann glücklich sein, ich will eine Familie haben, für die ich mich nicht schämen muss.

Ich will meine Kinder meinem Vater anvertrauen, ohne Angst zu haben, dass er in seinem Suff etwas anstellt oder soviel trinkt, dass er nicht mehr aufwacht. Ich liebe meinen Vater, ich kann es nicht ändern. Es tut mir leid, dass all seine Familie (Vater, Mutter, Brüder…)und Freunde getrunken haben. Aber er soll sein Leben führen und nicht das eines anderen, denn er ist leider ein lieber Mann, der zu schwach ist „NEIN“ zu sagen. Wie gesagt, ich bin müde und kann nicht mehr – jedenfalls im Moment.

Ja, heute am 26. 02. 03 hatte ich endlich mal den Mut und rief zu Hause mal an. Meine Mutter hatte sich total darüber gefreut. Ich habe sehr lange mit ihr geredet, auch über meinen Streit mit meinem Vater. Sie erzählte mir dann, dass er sich dieses Gespräch sehr zu Herzen nahm und nun seit diesem Tag nicht mehr trinken würde. Er macht seitdem eine ambulante Betreuung mit und redet viel mit den Ärzten und Betreuern. Er ist bereit eine Kur zu machen.

Das einzige, was mich heute sehr schockte, war, dass er schwere Leberzirrhose hat. Sein Bauch ist so etwas von aufgebläht, als sei er im 9. Monat schwanger. Seine Augen sollen gelblich sein und die Tabletten die er nehmen musste, hatten sehr auf seine Gesundheit eingeschlagen. Meine Mutter erzählte, dass er viel müde sei und sehr lärmempfindlich. Aber sie erzählte auch wie der Arzt, der meinem Vater Tabletten verschrieb, ihn vorgestern mit den Worten empfing: “ Herr XXX, sie leben noch? Ich dachte, sie wären schon längst tot!“

Es stellte sich heute bei einer Kontrolluntersuchung im Krankenhaus raus, dass mein Vater falsche Medikamente bekam, die ihm schwer schadeten. Kann man also noch nicht mal den Ärzten vertrauen!? Trotz all dem, bin ich total froh, dass er diesen Schritt machte und werde ihm da, wie es nur möglich ist, helfen und Unterstützung geben. Man hat nur dieses eine Leben, und ich denke, man sollte sehr vorsichtig damit umgehen und es nicht verschleudern.

Seit meinem letzten Bericht sind schon einige Wochen vergangen. Damals war ich sowas von optimistisch und ich dachte wirklich, dass Gott es dieses Jahr mal so richtig gut mit mir meint! Mein Vater wollte eine Therapie machen und lief artig 2 Mal die Woche zum Arzt, da seine Leber kurz vor´m Platzen war und seine Augen total gelb waren. Dort ließ er sich untersuchen und nahm regelmäßig seine Medikamente ein. Ich war so stolz auf ihn und nahm ihn so richtig gerne in die Arme.

Da wir sonst nie irgendwie Gefühle in unserer Familie zeigen, war das schon ein Meilenstein bei uns. Ich musste lachen, da seine Stimme voll hoch klang. Der Alkohol machte ihm sonst eine richtig tiefe Stimme, aber ich konnte mich klasse mit ihm unterhalten und ich nutzte diese Zeit, um zu sagen, was mir auf dem Herzen lag.

Ich wollte mir nie zum Vorwurf machen, dass ich keine Aussprache mit ihm hatte. Man weiß ja nie, was kommt, gell? Ich wohne ja in Hamburg und meine Eltern in einer kleinen Hanseatenstadt in Mecklenburg-Vorpommern. Zur Zeit mache ich eine zweite Lehre im Immobilienbereich und sie fordert meine ganze Zeit und Kraft. Ich kann daher nicht jedes Wochenende zu meinen Eltern fahren und nach dem Rechten sehen. Mein Mann würde das auch nicht so wirklich mitmachen …

Am Muttertag gab es mal wieder den Hammer meines Lebens. Ich rief als brave Tochter zu Hause an und mein Vater ging ran. Bei mir leuchteten sämtliche Alarmglocken auf, als ich seine doch so vertraute tiefe Stimme hörte und die Art wie er sprach. Oh Gott, mein Herz klopfte und mir war so schlecht. Ich traute mich nicht zu fragen und ich wollte es auch nicht so genau wissen … oder doch? Ich tat so, als hätte ich nichts mitbekommen und saß wie betäubt den Rest des Abends da und starrte vor mich hin.

Am nächsten Tag rief ich von der Firma aus meine Mutter an. Und stellte die Frage, auf die ich die Antwort so fürchtete. Ja er hatte sich was gegönnt … zur Feier des Tages. Wie scheiße das klingt. Er wollte Blumen kaufen, da er es vergessen hatte, und sah die Alkis am Bahnhof sitzen. Er wollte sich testen, ob er den Alkohol unter Kontrolle hat und ob er überhaupt krank ist.

Das er kurz vor´m Sterben war, hatte er wohl vergessen. Seine Leber ist sehr stark angeschwollen gewesen und es brauchte Wochen, um sie zum Abschwellen zu bekommen. Strenge Diäten und Medikamente mussten sein. Die Augen waren nur noch gelb und zeigten, wie krank er war. Sein Körper war total ausgemergelt und bestand nur noch aus Haut und Knochen und dem dicken Leber-Bauch.
Ich weiß sehr wohl, dass er sehr krank ist und einen der 25 Jahre nur gesoffen hat, kann man es nicht von heute auf morgen abgewöhnen.

Alkohol gab meinem Vater Kraft und Selbstvertrauen. Dass er den Tod auf Raten hat, ist noch nicht in sein abgestorbenes Gehirn vorgedrungen. Er sagt, das Gesabbel von den Ärzten und der Diakonie gehe ihm auf den Sack, es sei immer dasselbe. Weil ihm nämlich alle sagen, wie scheiße Alkohol ist, sein einziger Freund, der immer zu ihm gehalten hat. Aber ich könnte ihn töten für diesen Nervenkrieg, der anscheinend kein Ende nehmen will.

Wir alle nehmen eine Rolle ein und ich will da raus, ich will nicht mehr die leidende Tochter sein oder diejenige, die ihrer jammernden Mutter zur Seite steht und deren Probleme lösen soll. Ich habe selber genug Sorgen! Warum kann ich mit meinen 25 Jahren nicht einfach Kind sein, wenn ich meine Eltern besuche? Kann ich es denn noch Zuhause nennen? Ich liebe meine Eltern von ganzem Herzen, das macht diesen Scheiß um so schwerer für mich.

Dieser Teufelskreis frisst einen auf, alles was an Leben in mir ist und ich über Wochen versuche aufzubauen, wird bei einem Telefonat kaputt gemacht und ich fange dann wieder von vorne an.
Mittlerweile arbeite ich wie verrückt in der Firma, kann kaum die Intimität mit meinem Mann genießen und zappel ständig rum. Dieses Rumsitzen und zusehen, wie er sein Leben wegwirft ist megahart! Ich kann ihm nicht mehr helfen.

Da seine Therapie nicht genehmigt wurde, ist ihm sowieso alles egal. Ich denke, er will sich so mit Alk ein Ende setzten und das macht mich am meisten fertig. Ich sitze zu Hause und warte nur noch auf den Anruf, dass das Leiden für alle ein Ende hat. Ein Leben ohne meinen Paps ist eine zu große Last für mich, die ich nicht tragen kann und will. Denn es wird sehr große Kreise mit sich ziehen, die ich mir noch nicht mal vorstellen mag, so traurig wird es sein.

Heute ist der 21. März 2004. Dies wird mein letztes Kapitel werden. Mein Paps ist gestern Nachmittag um 14.20 Uhr eingeschlafen. Es tut sehr weh, ich kann nicht mehr aufhören zu weinen. Ich habe kaum noch Tränen. Mein Gott, wie ich ihn vermisse … Dabei sah alles so toll aus. Mein Vater bekam doch noch sein Therapieplatz in Lübsdorf beim Schweriner See. Sehr tolle Anlage, ich war echt begeistert. Die Therapie ging letztes Jahr im Oktober los und sollte 4 Monate dauern.

Wir alle legten soviel Hoffnung da rein. Mein Vater selber war voller Zuversicht und konnte es kaum erwarten endlich anzufangen. Er hoffte auf Hilfe und Unterstützung und dass er es schafft, ein Leben ohne Alkohol zu packen. Immerhin war er gerade 47 geworden und wollte noch viel unternehmen. So oft ich konnte, fuhr ich hin und unterhielt mich viel mit ihm. Er zeigte mir seinen Therapieplan und stellte mir alles vor, zeigte mir, wo in Lebensmitteln der Alkohol versteckt drin ist und so weiter.

Ich konnte so herrlich mit ihm reden und ihm klar machen, warum ich manchmal so verzweifelt reagierte und welche Ängste ich hatte. Ich sagte, wie ich mir mein Leben vorstelle, was ich alles noch erreichen will und konnte nicht oft genug sagen, wie stolz ich auf ihn bin, dass er das alles macht. Wie gesagt, es waren richtig tolle Gespräche. Er war wieder der Paps, den ich so liebte und nicht verlieren wollte.

Natürlich sprachen wir auch über ein Leben nach der Klinik. Ich schlug vor, dass er sich einen kleinen Garten anschafft, damit er eine Aufgabe hat und etwas, worum er sich kümmern kann. Wenn er eins sehr gut konnte, dann war es aus Scheiße Gold zu machen! Als alter Ossi legte er schon früh Erfindergeist an den Tag. Und die Sachen halten heute noch! Er fand die Idee toll, denn auch er wusste, dass die Langeweile ihn umbringt, weil er dadurch wieder anfangen würde zu trinken.

Mir taten die Abschiede immer sehr weh. Ich saß dann immer im Auto und blickte ihm hinterher, wie er ging, total gebeutelt vom Leben. Ich wollte ihn in Watte packen und aufpassen, dass nichts ihn mir wegnehmen würde. Wie gesagt, ich liebte meinen Vater. Bis auf manche peinlichen und ärgerlichen Erlebnissen, war er doch ein ruhiger Mann und wollte oft nur das Beste für uns. S

ich selber belohnte er mit Schnaps. Damals war es ja auch nicht so heftig. Er hatte sich unter Kontrolle, während andere sich prügelten oder ihre Familie schlugen. Das tat er nie, Gott sei Dank. Er unternahm immer was mit uns Kindern. Wir maulten zwar rum, wenn er was trank und es nervte, weil er dann immer Lieder sang oder schmutzige Witze erzählte. Aber wir lachten auch viel und hatten viel Spaß.

Es gab Abende, da redete er in einer Tour und wir alle hörten gerne zu, es störte dann nicht, dass er etwas intus hatte. Er konnte so herrlich erzählen – aus Armeezeiten oder wenn er sich mit den Nachbarn anlegte und diese ihn bei der damaligen Volkspolizei anschwärzten. Es waren richtig tolle Ossigeschichten, die ich nun nicht mehr hören werde. Aber dann kam die Zeit, da wurde es zu heftig und sein Körper machte nicht mehr mit.

Nach der Kur, die in diesem Jahr im Januar endete, waren wir alle schon gespannt und versuchten zwar offen zu reden aber auch einige Sachen nicht mehr zu erwähnen. Ich hatte auch Angst bei meinen Eltern anzurufen und anstelle der hohen Stimme, die nur allzu vertraute tiefe Stimme zu hören. Es ging meines Erachtens ganz gut voran und ich bekam nicht soviel mit. Er klang am Telefon normal und wir redeten über Gott und die Welt.

Meine Mutter erzählte mir heute aber, dass er 3 Wochen durchhielt, seine Tabletten nahm, zum Arzt ging und alle regelmäßigen Untersuchungen besuchte. Aber so nach 4-5 Wochen stellte sich wohl Langeweile ein, er pennte viel, setzte irgendwann die Tabletten ab und verzog sich oft nach draußen. Meine Mutter merkte, wie Geld fehlte und kurz darauf machte er daraus kein Geheimnis mehr, dass er wieder trank.

Wie gesagt, 25 Jahre trinken bekommt man kaum in 4 Monaten aus den Kopf. Mein Vater blockte bei mir ab und ich wand mich zum Selbstschutz auch ab. Innerlich war ich zerrissen und so verzweifelt, nach außen zu ihm tat ich abweisend und kühl. Natürlich musste er mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren werden, nachdem er Blut und Schwarzes von sich gab.

Ich fuhr zwar gleich nach Wismar, brachte meine Mutter zum Krankenhaus, konnte mich aber nicht überwinden ihn zu sehen. Meine Mutter sagte, er hätte zwar nach mir gefragt, er habe es aber auch verstanden, dass ich ihn nicht sehen wollte. (Seit gestern werfe ich es mir vor, dass ich es nicht tat. Ich frage mich, ob ich nicht doch hätte reingehen sollen … Ich sah ihn somit zuletzt vor 3 Monaten bei der Therapie!!!) Ich redete mit meiner Mutter darüber, dass es endlich ein Ende haben soll.

Es wird weh tun, aber lieber so, als ein Teufelskreis, der nie endet. Damals wusste ich noch nicht, wie weh es tun würde! Meine Mutter erzählte mir heute, wie sie ihn gefunden hat und meinte, ich solle ihn in guter Erinnerung halten, denn er habe in den letzten Tagen wie der Tod ausgesehen. Er habe sogar schon wie Tod aus den Mund gerochen. Sie hatte sich vor ihrem eigenen Mann geekelt.

Er wusch sich nicht mehr, schaffte oft die Toilette nicht mehr rechtzeitig, aß die letzten drei Tage nichts mehr. Als wenn er nicht mehr leben wollte. Ihm war es selber wohl auch zuviel. Er beantragte heimlich eine 2. Therapie. Da diese aber ein Jahr später (2005) sein sollte, dachte er sich, dass er solange nicht mehr machen würde. Er spürte es wohl und gab sich sozusagen den goldenen Trunk.

Er schleppte sich vergangene Nacht in die Küche, setzte sich in die Eckbank und kippte zur Seite. Meine Mutter fand ihn gegen 6 Uhr früh. Er lebte noch, war aber im Delirium, bekam nichts mehr mit, seine Augen waren glasig und auf seiner kleinen Zahnprothese waren Blutspuren. Sofort holte meine Mutter den Notfallwagen. Er wehrte sich nicht, wie sonst, ließ sich ins Krankenhaus fahren, wo er gerade entlassen wurde – vor 2 Wochen!

Am Nachmittag verstarb er dann. Es traf mich wie ein Faustschlag in den Magen und auf den Kopf zugleich. Ich rechnete zwar mittlerweile jeden Tag mit dem Anruf. Ich stellte mich darauf ein, ein Leben ohne Paps zu haben. Irgendwie war es auch vorstellbar. Ich habe doch mein eigenes Leben und meine eigene kleine Familie.

Aber der Tod kommt doch auf leisen Pfoten und trotz allem unerwartet. Ich weiß, das Leben geht weiter und die Zeit arbeitet für sich. Ich werde auch wieder lachen können und mir Fotos und Videos von ihm ansehen. Aber im Moment tut es weh und er hinterlässt eine große Lücke. Ich habe sein Gesicht, ich werde jeden Tag an ihn erinnert, wenn ich in den Spiegel sehe.

Ich riss mich heute in der Gegenwart meiner Mutter zusammen. Wir redeten viel und weinten auch etwas, ich wollte ihr Stärke geben, für das, was sie noch alles erledigen muss. Sie wirkte viel stärker als ich! Auf der Heimreise nach Hamburg weinte ich nur noch. Es regnete seit gestern. Meine Mutter meinte, wenn ein lieber Mensch stirbt an einem Tag, wo es regnet, dann weinen die Engel im Himmel.

Ich bin froh, dass es ihm nun besser geht, als hier auf Erden. Und ich fange wieder an zu beten, das habe ich solange nicht mehr gemacht … Es gibt mit doch Kraft die Trauer zu durchleben, denn das Weinen tut mir gut. Ich vermisse ihn und hoffe, dass er ab und an mal ein Auge vom Himmel auf mich wirft und sieht, wie es mir geht und wie seine zukünftigen Enkelkinder wachsen …
Dani

Danke für eurer Verständnis. Ich würde gerne auch mit euch weiterhin Erfahrungen austauschen. Meine Mail Adresse ist dani@rima-online.de

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