Mein Name ist Toni, 41 Jahre, 186 cm groß, 98 kg! Ich bin seit fast 9 Jahren alleinerziehender Vater meiner 3 Kinder. Im Oktober 1996 bin ich zur stationären Therapie nach Salzgitter-Ringelheim und seitdem trocken. Zufrieden trocken! Eine zufriedene Abstinenz ist sehr wichtig für mich, denn nur so kann ich längerfristig trocken sein.
Trinkpausen von einigen Wochen und auch wenigen Monaten habe ich öfter geschafft, in den Jahren bevor ich wirklich trocken wurde. Ich habe einfach „nur“ das Trinken weggelassen, und gemeint, das würde reichen. Dass zum Trockensein mehr gehört, als nur mit dem Trinken aufzuhören, habe ich erst während meiner Therapie begriffen und gelernt!
Während der Zeit in der Klinik hatte ich die Möglichkeit, mein Leben zu analysieren, aufzuarbeiten und Geschehnisse zu begreifen. Die Therapie schien mir die letzte Möglichkeit zu sein, dem Säufertod zu entgehen. Mehrere Entgiftungen und viele Rückfälle hatten an meinem Körper, meinem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl genagt.
Zweieinhalb Jahre habe ich wohl wirklich versucht, trocken zu werden. Ehrlich, ich wollte nichts mehr trinken. Schon in den Jahren davor musste ich feststellen, dass ich mit Alkohol nicht richtig umgehen konnte. Seit meiner Jugend trank ich meistens mehr als meine Kumpel. Schon in meiner Lehrzeit „benutzte“ ich Alkohol, um abzuschalten, Gefühle zu verdrängen.
Mit Alkohol fühlte ich mich „besser drauf“. Ich war dann lustig, hatte ein loses Mundwerk, war nicht mehr so schüchtern. Bewusst setzte ich Alkohol ein, um meinen Gemütszustand zu verändern. Ich manipulierte mich selber, um nicht mehr der zu sein, der ich eigentlich war. Ich wollte ein Anderer sein!
Natürlich blieb mein Trinkverhalten nicht ohne Folgen. Probleme im Elterhaus, bei der Arbeit und auch im Freundeskreis nahmen zu. Das war natürlich wiederum ein Grund zu trinken. Die Probleme wegtrinken wollte ich, sie verdrängen und nicht wahrhaben.
Ich suchte mir andere Freunde, die genauso gerne tranken wie ich. Fehltage bei der Arbeit nahmen zu.
Manchmal blieb ich mehrere Tage von zu Hause weg. Irgendwann waren es dann Wochen und Monate. Mit viel Glück konnte ich meine Ausbildung noch abschließen. Aufgrund meiner Trinkerei wurde ich dann aber strafversetzt in eine andere Stadt. Dort gefiel es mir gar nicht, und ich bin irgendwann einfach nicht mehr hin.
Lieber habe ich Urlaub gemacht; mein Konto leer geräumt und ab nach Italien, solange bis das Geld alle war. Der Urlaub sollte aber noch nicht zu Ende sein. Ich wollte das einfach nicht. Und so finanzierte ich meinen Urlaub durch kleinere Diebstähle.
Das Ganze dauerte 3 Monate. Reumütig kehrte ich wieder nach Hause zurück.
Für die Diebstähle gab es eine Bewährungsstrafe.
Ich hatte schnell wieder Arbeit und verdiente ordentlich. Ich trank auch erst mal keinen Alkohol mehr. Mit Alkohol im Schädel machte ich ja gerne Blödsinn. Das war mir klar. Irgendwie „tickte“ ich dann nicht richtig. Mir machte es dann Spaß, gegen bestehende Regeln und Ordnungen zu verstoßen, und ich war gespannt was dann passieren würde. Manchmal schien es mir, dass ich dann etwas machte, was ich eigentlich gar nicht wollte.
Nachdem ich mich wieder hochgerappelt hatte, meinte ich, wieder ab und zu ein Bier trinken zu können. In kurzer Zeit steigerte sich der Konsum wieder, bis ich wieder zu besoffen zum Arbeiten war. Und wieder bin ich den Konsequenzen entflohen. Einfach abgehauen. Wieder nach Italien.
Zurück in Deutschland durfte ich dann meine Bewährungsstrafe absitzen und zusätzlich noch 6 Monate wegen Gefangenenmeuterei. Dass ich als Vorbestrafter zu Hause und im Dorf nichts mehr zu lachen hatte, stellte ich schnell fest. Also wieder weg, wieder Saufen, wieder Italien. Es wiederholte sich immer wieder. Dieses Weglaufen vor den Konsequenzen!
Wieder zurück in Deutschland schloss ich mich einem Landstreicher an und erlernte das Überleben auf der Strasse von ihm. Das war im Frühjahr 1986! Im „Tschernobyl-Regen“ schliefen wir draußen. Wir wanderten den Rhein entlang und in Köln trennten sich unsere Wege. Den Rest des Jahres wanderte ich quer durch Norddeutschland. Erst im Frühjahr 1987 nahm ich die Möglichkeit wahr, mir eine Wohnung zu nehmen und wieder einer geordneten Arbeit nachzugehen.
5 Monate trank ich keinen Alkohol mehr. Weil ich wusste, dass ich damit nicht richtig umgehen kann. Während einer Hochzeitsfeier wollte ich aber wieder genauso lustig sein wie die Anderen!
Ich versuchte Regeln für mich aufzustellen, Grenzen zu stecken für mein Trinken. Sonntags keinen Alkohol, Freitag und Samstag war OK. Aber nach Möglichkeit nicht zuviel. Nach und nach steckte ich mir diese Grenzen weiter und irgendwann trank ich auch wieder unter der Woche. Schließlich war ich ja erwachsen. Niemand konnte es mir verbieten.
Ich lernte meine spätere Frau kennen und wir heirateten ziemlich schnell, weil ein Kind unterwegs war.
Den Alkoholkonsum versuchte ich zu kontrollieren. Meistens gelang mir das auch, zumindest eine Zeit lang. Dann machte ich wieder eine Trinkpause von einigen Wochen und ich war wieder fit und meinte, alles im Griff zu haben. Das ging so über einige Jahre.
Die Ehe litt natürlich darunter, und irgendwann suchte sich meine Frau jemanden der nicht trank.
Für mich war das ein Grund, mich nun vollends fallen zu lassen, und ich soff nur noch. Ein Krampfanfall stoppte meinen Versuch mich tot zu saufen. Entgiftung! Versöhnung mit meiner Frau. Ein neuer Versuch. Wieder Rückfall, wieder Trinkpause, wieder Rückfall …
Im Sommer 1996, Deutschland war Europameister geworden, trank ich mich so kaputt, dass ich nicht mehr laufen konnte.
Die Beine versagten mir den Dienst. Meine Wohnung und ich verwahrlosten. Meiner Frau habe ich es zu verdanken, dass ich in dieser Wohnung nicht gestorben bin. Mit der Polizei kam sie an und holte mich dort heraus, und sagte einen Satz: „Und nun machst Du endlich eine Therapie“!
Zweieinhalb Monate später wurde ich in der Suchtklinik aufgenommen! Während der Therapiezeit versuchte ich, soviel Wissen und Meinungen wie möglich in mich aufzusaugen. Auch nach meiner Therapie in der Klinik lernte ich, noch bei der Nachsorge und dann auch bei der Selbsthilfegruppe. Mein Leben nahm eine Wende. Nicht so wie ich es mir erdacht hatte.
Ich wurde zum alleinerziehenden Vater. Das hatte ich während meiner Therapiezeit überhaupt nicht auf dem Plan. Doch ich wuchs in diese Rolle hinein und nehme auch heute noch gerne diese Herausforderung an.
Trocken sein bedeutet für mich Freiheit! Ich genieße die Freiheit, nicht mehr trinken zu wollen! Seit meiner Therapiezeit schreibe ich gerne. Schon damals wollte ich mal mein eigenes Buch zum Thema Sucht in der Hand halten. Im letzten Jahr bekam ich einen Tipp, wie ich günstig ein Buch veröffentlichen kann. Nun ist seit Februar diesen Jahres mein Buch „Der Trockene Weg“ auf dem Markt.
Jahre hat es gedauert, bis sich eine Möglichkeit geboten hat. Doch nun habe ich mir einen Traum erfüllen können. Mein zweites Buch ist in Arbeit, und dürfte Ende Mai auf dem Markt sein!
Ach ja, das Rauchen habe ich fast auf den Tag genau 8 Jahre nach dem Trinken aufgehört, und bin nun etwas mehr als eineinhalb Jahre „teerfrei“!
So, nun aber genug geschrieben!
Herzliche und trockene Grüße
Toni (Anton) Erhart
Hallo Toni,
wieso sind Sie denn als allein erziehender Vater aus der Therapie rausgegangen? Diesen Punkt verstehe ich nicht ganz. Ihre Frau hatte vorher offenbar zu Ihnen gehalten, ist zu Ihnen zurück, nachdem sie einen „Nichttrinker“ kennen gelernt hatte, und hat Ihnen sogar das Leben gerettet…. und Sie nach der letzten Eskalation indirekt zur Therapie gebracht. Trotzdem hat dies nicht gehalten?
Grüße, Hanne