Annonyme Alkoholiker 2
Foto von REGINE THOLEN auf Unsplash
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„Anonyme“ Alkoholiker nicht mehr zeitgemäß?

Als 1935 in Ohio/USA die erste Gruppe der „Anonymen Alkoholiker“ zusammen trat, war es sicherlich ein großer Fortschritt, dass dieser Treffpunkt, der Hilfen für Alkoholkranke versprach, ins Leben gerufen wurde. Waren doch gerade die Jahre der Prohibition (1919 bis 1932) vorbei und Alkohol bzw. Alkoholismus in den Vereinigten Staaten verpönt.
Autor: Andre
Aktualisiert: 9. Februar 2024

Es war daher nicht verwunderlich, dass die Anonymität eines der wichtigsten Grundsätze von AA wurde, denn überhaupt zuzugeben, dass man ein Alkoholproblem hatte, war schon ein großer Schritt.

In Deutschland gibt es die Anonymen Alkoholiker erst seit 1953. Auch dieser – verhältnismäßig späte – Zeitpunkt ist mehr als verständlich; liegen doch 12 Jahre Nationalsozialismus (1933 bis 1945) davor. In dieser Zeit galten Alkoholiker in Deutschland als „Ballastexistenzen“ über deren „Ausmerzung“ in Euthanasieprogrammen nicht nur nachgedacht wurde.

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Das öffentliche Bekenntnis, Alkoholiker zu sein, konnte lebensbedrohlich werden. Nun schreiben wir inzwischen aber das Jahr 2011. Alkohol ist längst als ernsthafte Krankheit anerkannt und Probleme des Alkoholtrinkens wie Koma-Saufen bei Jugendlichen, Unfälle und Straftaten unter Alkoholeinfluss usw. sind in den Medien durchaus präsent. Weiterhin soll aber bei AA die Anonymität gewahrt bleiben.

Ich sehe darin das Problem, dass die Stimmen derer, die Alkoholikern noch immer Schuld an ihrer Lage geben möchten, Unterstützung bekommen, indem man den offenen Umgang mit der Krankheit tabuisiert. Alkoholiker leiden häufig darunter, dass jeder die Tatsache, Alkohol sei eine Krankheit, beifällig abnickt, um im nächsten Augenblick vom Alkoholkranken zu verlangen, sich „zusammen zu reißen“ und Willensstärke zu beweisen.

Da nützt es auch nichts, dass er das Problem erkannt hat, Therapien macht und auch die Therapeuten sich schwer tun, die Krankheit erfolgreich zu bekämpfen. Der Alkoholiker steht als „willenlos“ und „charakterschwach“ da; oft nicht nur für Freunde und Angehörige, sondern – und das ist das Schlimmste – vor sich selbst.

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Die eigene Einstellung zur Krankheit ist aber sehr wichtig: Man kann kaum etwas anderen so schwer verändern wie seinen „Charakter“. Also versuchen einige Kranke gar nicht erst, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Je mehr jedoch der Alkoholkranke aus seiner Anonymität heraus tritt, um so eher wird sich das Bild in der gesamten Bevölkerung vom Alkoholismus als einer unverschuldeten Krankheit einprägen.

Die Anonymität bei AA hat sicher eine gute Tradition. Aber die Alkoholiker trennt sie säuberlich von anderen Kranken. Schließlich gibt es auch keine anonymen Querschnittsgelähmten oder anonyme Herzkranke…

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4 Antworten zu „„Anonyme“ Alkoholiker nicht mehr zeitgemäß?“

  1. Bflowertine

    Ganz richtig haben Sie in Ihrem Artikel auf die Stigmatisierung und Verfolgung Alkoholkranker in Deutschland im Dritten Reich hingewiesen. Dies ist weder Querschnittsgelähmten noch Herzkranken widerfahren. Diese Art von Stigmatisierung, die bis heute wirkt, weist den Alkoholkranken leider eine Sonderstellung zu, die sie sich bestimmt nicht selbst freiwillig ausgesucht haben. Beispielsweise wird in den USA viel offener mit der Krankheit umgegangen, weil sich dort schon vor Jahrzehnten Prominente öffentlich dazu bekannt haben. In Deutschland sind nach wie vor sowohl berufliche, wie auch private Vorbehalte, Vorurteile und sogar Nachteile, für geoutete Betroffene die Regel.

    Unter dem selben Dilemma leiden im Übrigen genauso die Angehörigen von Alkoholikern, die zahlenmäßig viel höher betroffen sind. Kinder, Lebenspartner/innen, Eltern, Arbeitskollegen und Freunde von Alkoholikern leiden unter den Auswirkungen dieser Familienkrankheit, die sich über die Generationen fort setzt und durch alle Gesellschaftsschichten zieht. Auch sie können nicht ohne Nachteile befürchten zu müssen in die Öffentlichkeit treten, zumal sie auch noch ihre betroffenen alkoholkranken Familienangehörigen bloß stellen würden. Für diese Angehörigen gibt es die parallel zu AA in den USA enstandene Selbsthilfegruppe Al-Anon http://www.al-anon.de, die in diesem Jahr 60 Jahre alt wird und in über 100 Ländern aktiv ist.

    Ob Selbsthilfegruppen im Zeitalter des Internet noch zeitgemäß sind, müssen sich alle fragen. Zeit mit anderen Betroffenen für die eigene Genesung und Lebensqualität zu investieren wird in Zukunft vielleicht einmal wieder genauso trendy, wie die Kochsendungen, die im Moment die Medien dominieren – weil für sich selbst zu Hause zu kochen zu einem Luxusgut geworden ist.
    Beiträge von Kindern aus alkoholkranken Familien gibt es u.a. auch auf http://is.gd/n3HZA4 Deutschlandradio Kultur. Al-Anon verfügt inzwischen auch über einen Blog http://blog.al-anon.de/ und ist auf Twitter http://twitter.com/#!/AlAnonDe vertreten.

  2. Annette

    Auf der Homepage von Alateen gibt es einen Brief für eine Schülerzeitung – da wird das ganz gut erklärt, weshalb ich froh bin, dass meine Mutter inzwischen zu einer anonymen Gruppe geht und mein Vater auch: https://al-anon.de. Nur deshalb bin ich zu Alateen gekommen, weil sie dort gehört haben, dass es auch anonyme Hilfe für Kinder von Alkoholikern gibt.

    Als Kind alkoholkranker Eltern lernen die Meisten von uns daheim, dass wir nicht über Alkohol und dessen Konsum reden dürfen. „Bei uns ist alles ganz normal“. In Alateen habe ich gelernt, dass es mir hilft, mit anderen zu reden.

    Ich bin froh, dass es die Möglichkeit gibt, in eine ANONYMEN Gruppe zu gehen und dort zu reden und zu wissen, dass es egal ist, wer mein Vater oder meine Mutter ist. Es ist auch egal, wer ich bin. Ich brauche nicht zu befürchten, dort blöd angemacht zu werden. Soll ich vielleicht in der Schule sagen, was bei uns Zuhause los ist, damit ich noch mehr zur Außenseiterin werde? Das kann ja wohl kaum in Deinem Interesse sein. Ich würde mich schämen, wenn ich angeredet werde von anderen Leuten, die von meinen Eltern gehört haben, dass sie Probleme mit Alkohol haben. Das sollen sie lieber in ihren Gruppen tun. Ich will einfach nur mit meinen Eltern in Ruhe gelassen werden.

  3. Eine Al-Anon

    Hier gibt es noch andere Argumente dafür, weshalb das mit der Anonymität für Angehörige wichtig ist als das Bloßstellen der Alkoholiker/innen: https://al-anon.de/fuer-neue/ueber-al-anon/al-anon-ist-anonym/

  4. Fritz

    und nicht die Frage danach, wann die Öffentlichkeit aufhört, Alkoholiker einerseits als krank zu betrachten und andererseits als willensschwach. Alkoholiker haben genug damit zu tun, sich um ihre Trockenheit zu kümmern. Und wenn das mit Hilfe in einer anonymen Gruppe geht, dann ist das doch gut? Wer keine Anonymität will, kann zu den Blaukreuzern oder Guttemplern gehen – oder zur Presse. Jedem seins.

    Alkoholiker sind nun mal keine Herzkranken oder Querschnittsgelähmten, sondern Alkoholiker. Bei Querschnittsgelähmten hinkt der Vergleich ohnehin – welcher Querschnittsgelähmte kann seine Krankheit schon so erfolgreich verbergen wie ein Alkoholiker? Aber darum ging es ja wohl in diesem Artikel auch nicht.

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